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Der Klang des Sports

Taiwans Baseballer erfahren gerade weltweite Aufmerksamkeit - weil ihre Liga mit neuen Konzepten derzeit die einzigen Livespiele bietet

  • Andreas Landwehr und Dennis Engbarth, Taipeh
  • Lesedauer: 3 Min.

Taiwans Baseballer erzielen weltweit ungeahnte Zuschauerrekorde. Millionen Menschen haben ihre Spiele jetzt schon gesehen. Kein Wunder: Es ist die einzige professionelle Liga, die trotz der Coronavirus-Pandemie spielt - wenn auch ohne Publikum auf den Tribünen, dafür aber live im Internet und im Fernsehen.

Seit drei Wochen läuft die Saison der vier Baseballteams des Inselstaates im Pazifik. Auf den leeren Rängen des Stadions der Rakuten Monkeys in Taoyuan sitzen einige Zuschauer - aus Pappe. Aus Lautsprechern dröhnt Musik. Oben auf der Tribüne schlagen Roboter eines lokalen Herstellers die Fantrommeln. Cheerleader geben sich kräftig Mühe, Stimmung zu machen. Auch Spieler und Mitarbeiter der Teams feuern die Mannschaften an. »Die Spieler sind natürlich nicht begeistert über die Situation«, sagt Tai Ssu-sung, Sprecher der Liga in Taipeh. »Die Unterstützung durch die Fans sowie die Atmosphäre mit echtem Publikum ist wichtig für die Moral und Begeisterung. Deswegen war es schon eine große Umstellung.«

Wenn es im Stadion ruhig ist, zeigen sich beim Spiel aber unerwartet positive Nebeneffekte. »Jedes Geräusch, wie etwa wenn der Schläger den Ball trifft oder Bälle gefangen werden, ist klar hörbar«, sagt Tai. »Normalerweise würden wir diese Geräusche nicht wahrnehmen.« Die Stille soll auch der Konzentration der Spieler helfen.

Vor dem Spiel wird bei den Baseballern Fieber gemessen. Zwischen den Spielen ist ihnen nicht erlaubt, auswärts in Restaurants zu essen oder den Zug zu nehmen. Regelmäßige medizinische Tests auf das Sars-CoV-2-Virus sind allerdings nicht vorgesehen. Mitarbeiter im Stadion tragen Mundschutz, Reporter müssen sich einen Tag vorher anmelden und ein Gesundheitsformular einreichen. Für Interviews gelten Abstandsregeln.

Mit den einzigen Livespielen weltweit findet die Liga großes Interesse. »Wir haben nicht mit so viel Aufmerksamkeit gerechnet, und die Publicity ist wirklich ein unverhoffter Vorteil«, sagt Sprecher Tai. Die Spiele werden im Fernsehen, über den Twitterkanal »Eleven Sports Taiwan« oder Streamingplattformen übertragen - jetzt sogar auch auf Englisch kommentiert. Die Freunde des Baseballs in Taiwan waren anfangs zwar frustriert, zeigen aber Verständnis. »Zumindest können wir die Spiele verfolgen«, sagt Tony Huang. »Solange die Epidemie ungewiss ist, schützen diese Methoden die Spieler und die Fans«, findet der 40-Jährige, der die Liga als Anhänger nach eigenen Angaben schon seit zwei Jahrzehnten verfolgt. »Wenn sich ein Spieler infiziert, wird ja nicht nur er nicht mehr auf das Feld gehen können. Auch das ganze Stadion wird den Betrieb einstellen müssen.«

Das Beispiel der Baseballspiele ist aber nur bedingt auf andere Länder übertragbar. Taiwan hat das Virus sehr viel besser im Griff als viele andere Nationen. Es gibt nicht einmal 500 Infektionen und bisher nur sechs Tote bei insgesamt 23 Millionen Einwohnern. Nach den ersten Berichten über den Ausbruch im nur 130 Kilometer entfernt gelegenen Festlandchina hatte Taiwan sehr früh Kontrollen am Flughafen eingeführt und dann die Grenzen dicht gemacht. Die Behörden hatten Lehren aus der Pandemie mit dem Sars-Virus 2003 gezogen, als es 73 Tote und Hunderte Infizierte allein in Taiwan gab. Jeder Fall wird genau verfolgt, Infektionsketten werden früh unterbrochen. Heimkehrende Taiwaner müssen 14 Tage in strikte Quarantäne. Mit Erfolg: Seit drei Wochen hat Taiwan keine lokal übertragene Infektion mehr verzeichnet.

Die Liga entschied nun, von Freitag an erstmals wieder eine kleine Zahl von Zuschauern zuzulassen - allerdings nur bis zu 200. Vorausgegangen war die Entscheidung der Regierung am Sonntag, die Beschränkungen für Versammlungen in Sport und Kultur zu lockern. Abstandsregeln bleiben aber weiter in Kraft. dpa/nd

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